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Alte Liebe rostet

Die Führung der Labour Party will sich von der Finanzierung durch die Gewerkschaften unabhängiger machen. Einigen Gewerkschaftslinken ist es recht.
(Junge Welt, 19. 12. 2006)

Keine billige Veranstaltung: 14 Millionen Pfund (etwa 21 Millionen Euro) kostet der Wahlkampf 2005 die britischen Sozialdemokraten. Der Aufwand lohnte sich, Tony Blair blieb im Amt. Einen großer Teil dieser Summe erhielt Labour von Wirtschaftsbossen, angeblich als Kredite. Zum Skandal wurde der Vorgang, als einige von ihnen später als Mitglieder des Oberhauses vorgeschlagen wurden. Seitdem ist die Rede von Cash for Honours, Adel gegen Bares, und die Polizei ermittelt wegen Korruptionsverdacht. Hochrangige Parteiführer, beispielsweise Blairs designierte Nachfolger Gordon Brown, stehen unter Rechtfertigungsdruck. Blair reagierte, indem er eine Kommission beauftragte, Vorschläge für eine Reform der Parteifinanzierung zu erarbeiten.
Letzte Woche wurden einige bekannt, die allerdings in eine überraschende Richtung gingen. Denn sie würden den Einfluss der Gewerkschaften auf die Partei schwächen. Der Leiter der Kommission Sir Hayden Phillips schlägt vor, langfristig die Höhe von Spenden auf 50.000 Pfund (etwa 75.000 Pfund) zu begrenzen. Das soll auch für die Zuwendungen der Gewerkschaften gelten. Offenbar hat er dabei die Unterstützung des Premierministers. Bisher trugen die Gewerkschaften über ihren sogenannten politischen Fonds einen großen Teil zum Budget der Partei bei. Die 3,5 Millionen britische Gewerkschaftsmitglieder zahlen im Jahr 3 Pfund (etwa 4,5 Euro) im Jahr in diesen Fonds ein, mit dem die Gewerkschaftsführungen die Labour Party unterstützen. Das war lange die Haupteinnahmequelle der Partei, die in den letzten Jahren sogar noch wichtiger wurde. Die Mitgliedsbeiträge fließen spärlicher als früher, weil fast die Hälfte der 400.000 Parteimitgliedern ausgetreten ist, seit Tony Blair 1997 is Amt kam.
Dennoch will Premierminister Blair vor seinem Rücktritt scheinbar die Verbindung zu den Gewerkschaften ganz kappen, was auch bei rechten Sozialdemokraten umstritten ist. Der linke Labour-Abgeordnete John McDonnell sagte, die geplante Reform der Parteifinanzierung wären „das Ende der Parte, wie wir sie kennen“. Anders als beispielsweise in Deutschland haben die britischen Gewerkschafter nicht nur poitischen, sondern auch direkten Einfluß auf die sozialdemokratische Partei. Schlließlich waren es englische Eisenbahner, die im Jahr 1900 beschlossen, die Arbeiterbewegung habe auch eine parlamentarische Vertretung nötig und die sie gründeten. Die Parteistatuten schreiben ihre Macht unter anderem im obersten Aufsichtsgremium, dem National Exekutive Comittee, und dem jährlichen Parteitag fest.
Ob sich die finanzielle Hilfe aber politisch bezahlt machte, ist heftig umstritten. Zwar konnten besonders die großen Gewerkschaften auf den Parteitagen regelmäßig Beschlüsse durchsetzen (zuletzt etwa zur britischen Rentenreform), die aber ebenso regelmäßig von der Parteiführung ignoriert wurden. Die Gewerkschaftslinke ist gespalten in jene, die Labour nach wie vor zutrauen, Arbeiterinteressen zu vertreten, und die, die auf eine neue Partei setzen. Große Aufregung entstand, als die Transportarbeitergewerkschaft RMT vor zwei Jahren entschied, dass ihre regionalen Vertretung auch andere Parteien finanziell unterstützen dürfen. Manche begrüßen daher, dass New Labour von sich aus die Trennung sucht, weil sich die britischen Gewerkschaften politisch unabhängiger von der Regierungspolitik und möglicherweise radikaler würden.