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"Man kann nicht leben wie ein Tier, wenn man ein Mensch ist." Aber man kann es vergessen, sich in eine der vernunft- und hoffnungslosen Lebensformen verwandeln, die für den Markt produzieren, eine Karriere versuchen und sich therapeutisch über dem Wasser halten, das ihnen andererseits bis zum Hals steht. Natürlich, die Lage sieht nicht gut aus für die Thirty-Somethings, die in den 80er Jahren politisch und subkulturell sozialisiert wurden: "Punk ist Retrochic, die Besiedlung des Alls eine Computeranimation, die RAF Kunstgeschichte, die Vernunft das, was ein Anlageberater benutzt, die aussichtsreichsten Fondpakete zu schnüren..." Man könnte weinen oder ein Buch schreiben.
Dietmar Dath tut letzteres. Mit "Dirac" springt der vielgeliebte Schriftsteller und Journalist tief in die eigene Vergangenheit, gleichzeitig geht es ihm um den britischen Physiker und Mathematiker Paul Dirac, der als erster die Existenz von "Antimaterie" postulierte. Dieser Wissenschaftler wird für David, den Helden der Geschichte, durch seine vorbildliche Haltung (beziehungsweise: durch seine unglaubliche Coolness) zum Orientierungspunkt. Mittlerweile sind die Freunde von damals Künstler, Computerprogrammierer, Hausfrauen und Psychiater. Aber in ihrem Alltag verfangen treiben sie auf private Katastrophen zu ...
Trotz scharfer Spitzen gegen den Empiriokritizismus nutzt Dath alle Mittel der perspektivischen Brechung, lässt verschiedene Zeitebenen sich überkreuzen – die Biographie Diracs, Davids Versuche, sie zu beschreiben, schließlich die Schulzeit in der badischen Provinz, die er nur durch eine unwahrscheinliche Mischung aus Metal und Leninismus überleben konnte. Dieses Buch platzt beinahe vor Inhalt; berufliche Rezensenten geben ihren Lesern gerne etwas zu tun. Eine dichte Gebrauchsanleitung wird gleich mitgeliefert, und auch das macht keine einfache Lektüre. "Dirac" ist einiges gleichzeitig: autobiographische Selbstbefragung, ein Science Fiction, ästhetisches Experiment und schließlich der mitreißend wahrhaftige Versuch, die Frage nach einem besseren Leben noch einmal zu stellen.

Dietmar Dath (2006): Dirac. Roman. Suhrkamp: Frankfurt.

 

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