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Aus Klassenfeinden werden Freunde.

Aktivisten zeigen den Weg.

„Schlag zu!“ – die Zeichnung von George Grosz zeigt nichts als einen athletischen Boxer, der seine Faust in das Gesicht jenes dicken Mannes mit Zylinder und im Anzug rammt, darunter nur die knappe Aufforderung, die Kommunisten zu wählen. Mit dieser wuchtigen Attacke warb die Kommunistische Partei Deutschland (KPD) für eine Wahl 1920. Für die Zeitgenossen war sofort und eindeutig erkennbar und vielen wohl auch einleuchtend, was so dargestellt wurde, in diesem Kampf stehen sich Klassenfeinde gegenüber. Die werbende Partei appellierte an einen Hass und ein Interesse, das keine weiteren Erläuterungen braucht.
Grosz’ Plakat ist nur eines der vielen Exponaten in der Ausstellung „Klassenfeinde, Klassenideale“, die gerade im Deutschen Historischen Museum (DHM) in Berlin zu sehen ist. Von der Jahrhundertwende, als noch der Kaiser regierte, bis in die Gegenwart reichen die ausgestellten Beispiele aus Politik und Werbung. Beides ergänzt sich hervorragend und gibt Aufschluss zumindest über die Vorstellungswelt der Plakatmacher, vielleicht sogar über die ihrer Betrachter. Wie also entwickelt sich die Bildsprache, mit der die Deutschen über Klassen sprechen?
Da ist Kontinuität. Seit nunmehr 110 Jahren wird Werbung gemacht mit dem Bild der leisure class, den Nicht-Arbeitenden, den Aristokraten und Großintellektuellen. Sie genießen Branntwein und Tabak und ihr Leben. Solche Bilder nutzen die Sehnsucht der Proletarier und Kleinbürger nach einem sorgenfreien, genussvollen Leben. Ihr Prestige soll heute noch genauso wie damals auf das beworbene Produkt übergehen, ihr Lebensstil ist das Ideal. In der Werbung für die konsumierenden Massen hat sich in dieser Hinsicht nichts geändert.
Da ist Wandel. Zwischen Kaiserreich und deutschem Faschismus sind überlebensgroße Kollektivsubjekte das zentrale Motiv der politischen Ikonographie. Sie wachsen gleichsam aus den Massen hervor, die sie als Idealtypen verkörpern und überragen. Gerne lassen sie Haut und Muskeln sehen, sie weisen die Richtung im Klassenkampf. In der politischen Auseinandersetzung setzen die Parteien immer wieder auf solche Figuren: der Gesamtarbeiter einerseits, der Industrie- oder Finanzkapitalist andererseits sind in der Weimarer Zeit Standard. Die Nationalisten, allen voran die Nationalsozialisten, kopieren diese Bildsprache wirkungsvoll, nur ersetzen sie das Bild von Proletariers und Kapitalist durch den idealen Gesamtdeutschen, der Juden wie Marxisten gegenübersteht. Die Nazis trieben die Symbolisierung des Kollektivs auf die Spitze: Du bist Deutschland, aber gleichzeitig nichts, weil dein Volk alles sein soll.

Du bist Deutschland, aber gleichzeitig nichts, weil dein Volk alles sein soll.

Gleichzeitig markiert der deutsche Faschismus, mit seiner Ästhetisierung der Politik, die Annäherung von politischem Plakat und Produktwerbung, die dann im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts in der Bundesrepublik perfekt und vollständig wird. Heute erzählt die Werbung mehr von den Klasse als die austauschbaren Parteiplakate. Der kollektivistische Impuls ist verschwunden. In der DDR wurde er noch eine Weile konserviert. Die ostdeutsche Propagandaplakate aus den Beständen des DHM zeichnen sich allerdings vor allem durch ihre Harmlosigkeit aus. Vorbei ist die aggressive Mobilisierung des Klassenhasses, stattdessen Parolen wie aus dem Religionsunterricht: „Der polytechnische Unterricht erweckt die Liebe zur sozialistischen Arbeit und den arbeitenden Menschen!“
Plakate haben in der gesellschaftlichen Kommunikation an Bedeutung verloren, seit mit den elektronischen Medien andere, wirkungsvollere Formen der Propaganda möglich sind. So werden die antikommunistischen Wandanschläge im Laufe der westdeutschen Geschichte auch deshalb seltener, weil das Kino ihre Aufgabe übernimmt. Trotzdem ist die Ausstellung eine gute Gelegenheit, die deutsche Geschichte im Plakat als Zusammenhang zu erleben. Die Räume sind übersichtlich und sinnvoll angeordnet, obwohl der museumspädagogische Impuls etwas aufdringlich daherkommt. So sind die dunklen Kapitel der deutschen Geschichte, die Weltkriege und der Faschismus zwei ebenso dunkle, enge Räume. Zwischen den westdeutschen und ostdeutschen Plakaten steht eine Mauer, die schließlich den Weg freigibt in die deutsche Jetztzeit.

Ausstellung im Deutschen Historischen Museum (DHM), Unter den Linden, Berlin noch bis zum 16. Juli 2006. Internet: www.dhm.de/ausstellungen/klassenideale/index.html

 

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